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Mein erster Halbmarathon

Eigentlich ist es schon eine Ewigkeit her, aber gefühlt war es doch erst gestern, als ich im April 2017 in die Karl-Marx-Allee einbog, die Ziellinie sah und mich einfach nur freute, es geschafft zu haben. Ja, ich hatte tatsächlich meinen ersten Halbmarathon gefinisht. Was für ein Gefühl! Ich weiß noch heute, wie ich im Ziel dachte ich kann gar nicht mehr aufhören zu weinen und Florian, meinen Pacer, vor Dankbarkeit einfach nicht mehr loslassen wollte.

Aber fangen wir von vorne an. Begonnen hat eigentlich schon alles im April 2016, denn da stand ich beim 36. Berliner Halbmarathon an der Strecke und feuerte wie blöd wildfremde Leute an und stellte mir vor, wie es ist, selbst dort mitzulaufen. Aus der Vorstellung wurde ein Traum, den ich mir unbedingt erfüllen wollte und somit meldete ich mich kurze Zeit später für das darauffolgende Jahr an. Nicht, dass ich davor noch nie gelaufen bin, aber halt nicht so regelmäßig und ohne Ziel vor Augen und natürlich auch noch keine 21 km. Also ging es mit voller Euphorie ins Training, sicherlich hatte ich noch ein Jahr Zeit, aber ich wollte es mir beweisen und musste dann leider auch kurze Zeit später die bösen Seiten des Sports kennen lernen. Aus einer kurzen Verdrehung des Knies und der weiteren Belastung beim Laufen entwickelte sich eine Knorpelentzündung und ich sah meinen Traum in weite Ferne fliegen. Diagnose mind. 3 Monate komplette Lauf- und Belastungspause. Was für ein harter Rückschlag, wenn man gerade einen Sport für sich lieb gewonnen hat.

Aber ich kämpfte mich zurück und begann im November 2016 wieder ganz langsam mit dem Laufen. Nicht alleine, sondern zusammen mit einem Laufclub, mit dem ich auch vor meiner Verletzung schon ab und an gelaufen bin. Über den Winter wurden durch regelmäßige Läufe, Workouts und Stabi-Übungen langsam die Laufumfänge größer und meine Geschwindigkeit wieder schneller. Der Sonntag wurde zum Longrun-Tag und so kam es, dass ich im Februar 2017 meine ersten 20 km gelaufen bin. Natürlich in ganz gemütlichem Tempo und mit kleineren Pausen. In 2 Monaten waren das dann noch 1 km mehr und dann auch ohne Pausen, für mich noch etwas unvorstellbar, aber die große Angst vor der Distanz war mir schon mal etwas genommen und mein Knie machte auch gut mit.

Im März, jeweils an den letzten 3 Sonntagen vor dem großen Tag ging es dann zusammen mit der Laufgruppe auf gezielte Longruns für die Halbmarathonvorbereitung. 20 km, 17,5 km und in der Tapering-Woche nur nochmal knapp 11 km. Ich quälte mich also nicht alleine, sondern lief die meiste Zeit in der Gruppe. Eine Gruppe voller Leute, die genauso verrückt waren, wie ich und die ich deshalb in mein Herz geschlossen habe.

Der Samstag vor dem großen Tag begann erstmal mit einem ganz gemütlichen Shake Out zusammen mit dem Runclub. Wir liefen ca. 5,5 km bei gefühlten 30 °C durch den Berliner Tiergarten und lockerten somit gemeinsam unsere Beine. Anschließend verabredeten wir uns und motivierten uns gegenseitig für den großen Tag.

Und da ein Shake Out Run noch nicht genug war, ging es anschließend noch zu einem weiteren. Eigentlich ziemlich verrückt, aber naja hinterher ist man immer schlauer.

Anschließend hieß es zusammen mit meinem Eltern, die extra zum Anfeuern nach Berlin gekommen waren, erstmal Kohlenhydratspeicher auffüllen, es gab natürlich eine große Pizza.

Und so rückten sie also langsam näher, die letzten Stunden bis zum großen Ereignis. Nachdem meine Eltern sich die besten Punkte zum Anfeuern rausgesucht hatten, bekam ich noch die letzten Nachrichten von meinen Freunden. Unter anderem auch eine Nachricht von Florian, der auch laufen wollte, aber nicht in seinem eigentlichen Tempo, sondern für ihn eher gemütlich. Und so fragte er mich, was mein Ziel war.

Ja genau, was war eigentlich mein Ziel?!

Mein eigentliches Ziel war es den Halbmarathon einfach nur gesund und glücklich zu finishen, aber mein geheimes Traumziel war es, nach weniger als 2 Stunden über die Ziellinie zu laufen. Ich wollte es wenigstens versuchen, also beschloss Flo, mich dabei zu unterstützen und zu pacen. Mit dem Entschluss, die Sub 2h anzugehen, ging es also früh ins Bett. Und während meine Eltern seelenruhig schlafen konnten, war ich natürlich vor lauter Aufregung die halbe Nacht wach.

Der große Tag



Ich weiß gar nicht mehr, was und ob ich was gefrühstückt hatte (ich glaube es war nur eine Banane), aber es war so weit. Der Tag für den ich so lange trainiert hatte, war endlich da. Die Aufregung stieg, aber ich freute mich auch, dass es endlich so weit war. Ich zog meine Laufsachen an, machte noch schnell ein Vorherbild auf dem Balkon und schon ging es los zum Startbereich.


Natürlich war ich viel zu zeitig vor Ort, aber da war ich zum Glück nicht die einzige. Denn Alex, die ebenfalls ihren ersten Halbmarathon lief, war auch schon da. So lenken wir uns also gemeinsam ab und bereiten uns auf unser großes Ereignis vor.


Und schon ging es in den Sicherheitsbereich. Ich verabschiedete mich noch schnell von meinen Eltern, die sich auf den Weg zu ihrem ersten Punkt zum Anfeuern machten und ging zu unserem Treffpunkt am Kino Internationale. Es folgte das übliche Gruppenfoto und anschließend das Sicherheitspipi auf dem Dixiklo, dass einzige was ich auf Laufveranstaltungen wirklich hasse. Aber was muss, dass muss!

Zusammen mit meinem persönlichem Pacer Flo ging es dann endlich in meinen Startbereich.

Nach gefühlten Stunden, schließlich muss man sich als Erststarter in den letzten Block einreihen, ging es dann tatsächlich um 10:38 Uhr über die Startlinie. Meine Eltern, die eigentlich direkt nach dem Start das erste Mal auf mich warteten, sah ich natürlich nicht. Anfangs lief ich tatsächlich nur Schlängellinien, um an allen langsameren Läufern vorbei zu kommen, aber ich schaffte es trotzdem mein Tempo zu laufen. Ich schaute anfangs nicht einmal auf meine Uhr, denn ich hatte ja Flo neben mir, der das für mich übernahm und somit auch verhinderte, dass ich es bei meiner ganzen Euphorie zu schnell anging.


Bei Km 3 ging es durch das Brandenburger Tor und überall standen Sie, die Menschen, die mich wildfremde Person beim Laufen anfeuerten. Jetzt wusste ich, wie das ist und es sollte die ganze Zeit so bleiben!

Es folgten Trommelgruppen an der Siegessäule und am Ernst-Reuter Platz und man wurde einfach nur gefeiert, dafür, dass man 21 km zu Fuß durch die Stadt läuft. Ein Gefühl, dass man echt kaum beschreiben kann.

Km 11, ich hielt immer noch mein Tempo und freute mich, dass es endlich auf den Kudamm ging, darauf hatte ich mich am meisten gefreut, denn dort würden Sie alle auf mich warten, meine Eltern und meine Freunde vom Laufclub. Ab km 13,5 hielt ich Ausschau und vor dem Runners Point Store standen tatsächlich die anderen Runclub-Läufer und feierten mich. Keine 100 Meter weiter, hörte ich plötzlich nochmal meinen Namen, ich drehte mich um und da stand völlig unerwartet, meine beste Freundin, am liebsten wäre ich umgedreht und hätte sie umarmt, aber ich bin natürlich brav weiter gelaufen. Im Umdrehen sah ich dann auch meine Eltern in weiter Ferne und auf der anderen Straßenseite, ich hatte sie also wieder verpasst und somit leider auch meine kleine Portion Energie für die nächsten Kilometer. Denn was ich noch gar nicht erzählt habe, ich habe zu dieser Zeit gefastet und somit komplett auf künstlichen Zucker verzichtet. Somit waren alle Energiegels für mich tabu. Meine Eltern warteten also eigentlich mit einem Früchtebrei auf mich, der für meine Hosentasche zu groß war. Also ging es ohne Energieschub weiter Richtung Potsdamer Platz.

Ab km 17 merkte ich dann langsam, dass meine Kräfte etwas nachließen. Auch Flo bemerkte das ziemlich schnell und motivierte mich, es einfach genau so weiter zu machen, wie bisher, schließlich waren es ja nur noch 4 km. Dann verriet er mir, dass selbst, wenn ich jetzt nur noch eine 6er Pace laufen würde, ich mein Traumziel erreichen würde. Und da war sie wieder, die Motivation. Ich lief also einfach weiter, zwar etwas langsamer, als vorher, aber fokussiert, die Ziellinie zu überqueren.


Eine letzte Motivation bekam ich dann von meiner besten Freundin, die tatsächlich auch kurz vor dem Ziel nochmal an der Strecke stand und mich anfeuert. Sie war neben den motivierenden Worten von Flo meine Rettung für die letzten Meter. Natürlich standen da auch tauschend andere Menschen an der Strecken, aber die haben ich auf zu dem Zeitpunkt eigentlich gar nicht mehr richtig wahrgenommen hat. Gefühlt war ich einfach nur noch im Tunnel und wollte über die Ziellinie.

Und da kam sie, nach 21,0975 km und 1h 59 min und 33 sek war es endlich so weit, ich überquerte die Ziellinie des Berliner Halbmarathons. Ich hatte es tatsächlich geschafft, überlebt und mir meinen großen Traum erfüllt. Ich stürzte mich erstmal auf die Bananen, bekam eine wunderschöne Medaille und dann kamen sie, die Tränen der Erleichterung. Ich fiel Flo um den Hals und war ihm einfach nur unendlich Dankbar, dass er die komplette Strecke mit mir lief, mir jedes Mal Wasser holte und mich auf den letzten Metern motivierte.

Dieses Gefühl, dass nach so einem Erlebnis durch den Körper sprüht ist einfach unbeschreiblich und genau dieses Gefühl wollte ich nicht zum letzten Mal erleben. Ich hatte also Blut geleckt und mich nur Tage später wieder für den Berliner Halbmarathon 2018 angemeldet. Und diesen werde ich dann einfach nur genießen.

Ach meine Eltern, die eigentlich im Ziel auf mich warten wollten, waren natürlich nicht da. Ich rief sie an und fragte, wo sie denn stecken. Sie saßen gerade in der U-Bahn und fragten mich, was passiert ist. Sie hatten so lange am Kudamm gestanden und gewartet, dass sie mich noch gar nicht im Ziel erwartet hatten, somit hatten sie mich also nicht ein einziges Mal auf der Strecke gesehen.

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